Bei unserem ersten richtigen Besuch von Strasbourg mit dem Straßburger Münster nehmen wir meine Schwiegereltern mit. Schon bei der Planung zeigten diese wenig Begeisterung für unsere Lowcostparking-Möglichkeit irgendwo im sonst wo der Stadt. Den längeren Fußweg hätten sie ja in Kauf genommen. Was bleibt, ist die Angst, später mit dem Zug heimfahren zu müssen, falls irgendein Idiot unser Auto abfackeln sollte. Ähnliche Bedenken hatte ich bereits bei unserem Stadtrundgang in Colmar. Hier in Strasbourg kommt so etwas tatsächlich vor.
Mit dem Neuhof gibt es hier einen Stadtteil abseits der Weinstubenseligkeit. Ein Hochhausviertel aus den 1960 Jahren, erbaut für die damaligen Gastarbeiter aus den Maghreb-Staaten. Heute ist Neuhof ein sozialer Brennpunkt, gespickt mit Perspektivlosigkeit und Kriminalität. Auch das ist Frankreich. Wir verzichten darauf und fahren zur Beruhigung von Hans-Werner und Marlis das Parkhaus Austerlitz an. Von dort trennt uns nur ein kurzer Fußweg vom Straßburger Münster.
Das Straßburger Münster zählt zu den bedeutendsten Bauwerken der Gotik in Europa. Majestätisch erhebt sich der Sakralbau über die Dächer der Stadt und ist bereits vom Schwarzwald und den Vogesen aus zu sehen.
Bis zum 19. Jahrhundert war das Münster das höchste Gebäude Europas. Das alles überragende Wahrzeichen des Elsass ist einer der Hauptanziehungspunkte für Touristen. So ist es nur vernünftig, dass wir mit dem Münster unseren Stadtrundgang beginnen.
Zwischen 1176 und 1439 entstand das Münster aus rosa Vogesensandstein. An selber Stelle stand zuvor ein abgebranntes Gotteshaus aus der Karolinger Zeit. So richtig vollendet wurde der Sakralbau jedoch nie. Blitzeinschläge, Brände und diverse Kriegsbeschädigungen sind Gründe dafür, dass die bereits früh nötigen Restaurierungsarbeiten kaum ein Ende fanden. Später kamen Probleme mit dem Fundament hinzu.
Sie traten nach der Rheinbegradigung auf, welche zu einem sinkenden Grundwasserspiegels geführt hatte. Umweltgifte haben wir es schließlich zu verdanken, dass sich der rosa Sandstein zu einem Grau-Braun gewandelt hat. So sind die Straßburger auch heute noch stets damit beschäftigt, ihr Münster zu restaurieren. Dieser hohe, ständig wiederkehrende Aufwand ist mit Grund dafür, dass der ursprünglich geplante Südturm nie realisiert wurde. Doch gerade dies verleiht dem Münster seine herrlich asymmetrische Form.
Im Innern des Münsters lassen ein geschickter Lichteinfall und das helle, von Bündelpfeilern getragene Kreuzrippengewölbe das dreischiffige Langhaus elegant wirken. 1529 wurde die Stadt Strasbourg mitsamt dem Münster protestantisch. Damals wurden 40 Altäre aus der Kathedrale entfernt. Erst der Sonnenkönig Ludwig der XIV. gab den Katholiken das Münster nach 150 Jahren zurück, nachdem er Straßburg für Frankreich erobert hatte. Wenig später fielen etliche Statuen der Französischen Revolution zum Opfer. Einige, die vor der blinden Zerstörungswut gerettet werden konnten, sind heute im Musee de l'Oeuvre Notre-Dame, dem Frauenhausmuseum, ausgestellt. Was wir heute im Münster bewundern können, sind also überwiegend Replikate.
Im südlichen Querhausarm befindet sich die 18 Meter hohe astronomische Uhr. Dieses bunt bemalte und mit schönen Skulpturen geschmückte Wunderwerk der Technik gilt als die größte Attraktion des Münsters. Jede Viertelstunde wird von einem Engel angeläutet, zur vollen Stunde dreht der Engel rechts neben ihm ein Stundenglas um. Dazu dreht sich ein Rad mit den Wochentagen und den zugeordneten Planeten.
Bei unserem Besuch ist es Samstag, der Tag des Saturns. Leider füllt sich vor der Uhr der viel zu kleine Raum nur allzu rasch. Besichtigungsgruppen stürmen hinein, während die Guides versuchen, uns in Platzhirschmanier auf die Seite zu verweisen. Jeder will sehen, wie sich die Engel bewegen. Zeit für uns zu flüchten. In Strasbourg gibt es noch so viel mehr zu entdecken.