Am Münsterplatz halten wir uns kurz beim Maison Kammerzell, dem schönsten Haus von Strasbourg auf. Es ist ein ehemaliges Kaufmannshaus. Das steinerne Erdgeschoss mit den großen Arkaden aus dem 15. Jahrhundert diente als Verkaufsstätte. Darüber erhebt sich ein reich geschnitztes Fachwerk aus dem 16. Jahrhundert.
Die bunten Touristengruppen aus der heutigen Zeit jedoch füllen gerade den Münsterplatz. So schlendern wir bald weiter zum Palais Rohan, welches mehrere Museen beherbergt. Bei herrlichem Sonnenschein und milden Temperaturen steuern wir jedoch als Nächstes La Petite France - Klein Frankreich - an.
Um die Altstadt von Straßburg erstreckt sich die Ill mitsamt einiger Kanäle wie dem Rhein-Rhône-Kanal. Bei unserem Besuch fahren hier nur Ausflugsboote, die wir bei den verschiedenen Schleusen beobachten können.
Doch ab dem Frühling bis zum Herbst sind hier auch Hausboote wie auf dem Canal du Midi unterwegs. Mit sommerlichem Blumenschmuck verbreiten die Fachwerkhäuser dann sicherlich ein idyllisches Flair und eine pittoreske Kulisse für die Hausboot-Fahrer auf dem Ill.
Entlang dieser Kanäle gelangen auch wir nach Petite France, dem ehemaligen Gerberviertel mit seinen engen, kopfsteingepflasterten Gassen. Einige Fachwerkhäuser und die zahlreichen Brücken komplettieren die malerische Kulisse.
Da sich die meisten Touristengruppen am späten Vormittag noch auf dem Münsterplatz aufhalten, herrscht hier eine angenehme Ruhe. Die Restaurants nutzen das schöne Wetter im Spätherbst, um draußen mit romantischer Dekoration einzudecken. Daneben bieten kleine Läden buntes Keramikgeschirr und Kougelhopf-Formen an.
Doch wie kam Petite France zu seinem Namen? Im 16. Jahrhundert stand hier ein Krankenhaus. Vor allem die Soldaten des französischen Königs Karl VIII. brachten neben Kriegsverletzungen auch die Lustseuche Syphilis mit. Die Krankheit verbreitete sich zwar in ganz Europa, trat aber zuerst bei den Franzosen vermehrt auf,
weshalb sie auch als »Franzosenkrankheit« bezeichnet wurde. Da sich das Krankenhaus auf diese Seuche spezialisiert hatte, wurde es »Klein Frankreich« genannt. Und weil das damals schlüpfrige Viertel von Prostituierten und ihren Freiern beherrscht wurde, stand der Name bald für die ganze Umgebung.
Heute geht es hier sauber, gesittet und touristisch zu. Anstatt aufreizender Mädchen lockt der verführerische Duft von Baeckeoffe, Choucroute und Tarte flambée in die zahlreichen Restaurants. Zwischen den hohen Häusern der ehemaligen Gerbereien kommen wir zu einer Drehbrücke, welche 1880 gebaut wurde.
Aus jüngerer Zeit stammt die moderne Technik, welche es per Knopfdruck ermöglicht, den Illkanal für passierende Schiffe frei zugeben. Kaum sind diese durch, können die Fußgänger wieder zur anderen Seite des Kanals spazieren.
So gelangen auch wir bald zu den Ponts Couverts, welche die zur Stadtbefestigung gehörenden Wachtürme miteinander verbinden. Ursprünglich bestanden die imposanten Steinbrücken aus Holz und waren mit Ziegeldächern bedeckt, was ihnen den Namen Gedeckte Brücken oder auch Überdachte Brücken verlieh. Gegenüber befindet sich das überbaute Stauwehr Barrage Vauban, welches Ludwig der XIV.
von seinem Baumeister zur Verstärkung der alten Stadtbefestigung errichten ließ. Damals diente es dazu, den Vorstadtbereich bei Gefahr unter Wasser zu setzen, sodass kein Durchkommen mehr möglich war. Heute bietet das Wehr Aussichtsterrassen und im Innern jede Menge Räume, die zum Beispiel für Ausstellungen der Modernen Kunst genutzt werden.
Mit den Ausstellungsstücken können wir als passionierte Kunstbanausen wenig anfangen. Doch wärmen wir uns in dem langen Gang etwas auf, bevor wir über die Schleusenbrücken langsam zurück zum Münsterplatz und zu unserem Parkhaus laufen.
Es gibt noch einiges mehr in Strasbourg zu sehen und wir werden sicherlich wieder hierher kommen. Doch für den ersten Besuch ist es genug. Meine Schwiegereltern und auch wir haben Hunger und zum Essen fahren wir lieber wieder zurück in das ruhigere Obernai, wo im Hotel Sainte-Odile bereits ein Tisch für uns reserviert ist.