Strasbourg ist bekannt als die Stadt des Europaparlaments und versteht sich selbst als Hauptstadt Europas. Warum aber nahm der Europarat seine Arbeit 1949 ausgerechnet mitten im Elsass auf? Die Antwort liefert die Geschichte der Stadt. Strasbourg wurde sowohl von den Franzosen als auch den Deutschen über Jahrhunderte hinweg derart geprägt, dass hier die Versöhnung zwischen den beiden Ländern symbolisch besiegelt werden sollte. Trotz aller Symbolik für Vereinigung kamen weitere Sitze in Europa hinzu. Zwar hatte man anfangs versucht, die Gemeinschaften an einem Ort zu bündeln, doch mangelte es bereits bei den sechs Gründungsstaaten am Willen, sich auf eine Stadt zu einigen.
Stattdessen fanden sie zu einem Kompromiss. Dadurch tagt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, während die Kommission in Brüssel arbeitet und das Europaparlament in Strasbourg verweilt. Als Folge halten sich die Glaspaläste der Politiker im Europaviertel in überschaubaren Grenzen. Die Abgeordneten gehören zu den Vielreisenden, die einmal im Monat den schönen Altstadtkern von Strasbourg überrennen. Und genau dieser besitzt durch seine bewegte Geschichte mit den Franzosen und den Deutschen einen unglaublich vielseitigen Charme. Anstatt einer grauen Politikermetropole blieb die Kleinstadtoptik mit schön saniertem Fachwerk bis dato erhalten.
Dabei sind es die Straßburger gewohnt, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. In früheren Jahrhunderten schlugen sie die Herrschaftsgewalt der Bischöfe nieder und erstritten sich das Privileg einer freien Reichsstadt. Der wachsende Einfluss der Zünfte und die Vertreibung des Adels bescherten Strasbourg mehrere Phasen des Aufschwungs und Reichtums.
Man kümmerte sich um den Handel, der stark vom alleinigen Schifffahrtsrecht der Stadt auf dem Rhein und den damit verbundenen Verzollungen abhängig war. Bei einem Unterbruch des Aufschwungs, während der großen Pestepidemie 1347/48 waren die Juden als Sündenbock schnell ausgemacht. Noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts drohte Juden die Todesstrafe, wenn sie sich nach 10 Uhr abends innerhalb der Stadtmauern aufhielten.
Neben den Händlern waren es die Künstler und Mystiker, die Strasbourg so besonders machten. Nach der genialen Erfindung Johannes Gensfleischs (1400-1468), besser bekannt als Gutenberg, im 15. Jahrhundert war die Stadt führend im Buchdruck. Strasbourg wurde zum Zentrum einer medialen Revolution. Damit eng verbunden ist auch die Verbreitung der Lehren Luthers.
Die beweglichen Metallbuchstaben und die Druckerpresse ermöglichten dem Theologen rund 70 Jahre später, seine Schriften breiten Schichten der Bevölkerung zukommen zu lassen. Mit Folgen auch für Strasbourg: 1529 wurde die katholische Messfeier im Münster durch Beschluss des Stadtrates offiziell abgeschafft.
Später entstand in Strasbourg die Nationalhymne Frankreichs. In der Nacht vom 24. auf den 25. April 1792 wurde sie von Offizier Rouget de Lisle gedichtet und vertont. Ansporn dazu gab ihm der Bürgermeister von Strasbourg. Er forderte ein Kampflied, welches die im Krieg gegen Österreich stehende revolutionäre Rheinarmee ermutigen sollte. Gleich am nächsten Morgen stellte Lisle das Lied vor, begleitet von der Bürgermeisternichte am Klavier.
Der Bürgermeister war begeistert und ließ die Hymne in einer Strasbourger Druckerei vervielfältigen. Seinen Namen verdankt die Nationalhymne jedoch einem Freiwilligenbataillon aus Marseille, welches sich am 10. August 1792 am Sturm auf die Tuilerien beteiligte. Beim Einzug in Paris sang es die Hymne und machte sie somit populär. Am 14. Juli 1795 wurde die Marseillaise zur Nationalhymne erklärt.